Freitag, 3. Juli 2015

Interview mit Conchita Wurst 03.07.2015

 
Heute gab es eine Pressekonferenz im Kölner Maritim Hotel mit Conchita Wurst. Sie ist anlässlich des CSD (Gaypride) in der Domstadt, und wird heute Abend den Jean-Claude-Letist-Preis erhalten. "'Ich möchte einfach nur so leben können, wie ich bin'" war das Lebensmotto von Jean-Claude Letist. Conchita macht etwas ganz ähnliches, sie tritt als Künstlerin in der Art auf, wie sie es für richtig hält. Nichts Angepasstes, sondern so wie sie ist! Viele Menschen empfinden Conchita als Vorbild, als Mut Macherin. Mit ihrem Sieg beim Eurovision Song Contest 2014 wurde sie auch für die politische Bewegung Andersliebender und -lebender zu einer Symbolfigur und Fürsprecherin der Würde jedes Menschen.

Deshalb hat WABF es sich nicht nehmen lassen Conchita zu interviewen:

WABF: Herzlich willkommen in Köln! Ich würde gerne von Dir wissen wie Du mit Hänseleien umgehst, da Du anders bist als andere?

Conchita: Zunächst kann ich sagen, dass ich einfach nur ich bin und es mir nicht so sehr bewusst ist, dass ich anders bin oder etwas besonderes tue. Für mich bedarf es keines Aufwandes so zu sein, wie ich sein möchte, und das ist genau das, was ich immer wiederhole. Das ist, was ich den Menschen erzählen möchte. Ich möchte nicht missionieren, aber jeder hat seine eigene Wahrheit. Und ich glaube wenn man simple Regeln befolgt im Leben, dann kann man so ziemlich alles damit anstellen was man möchte. Und so sehe ich das. Und wenn ich denn doch mal Negativität entgegengebracht bekomme, arbeite ich immer meine Checkliste ab, die mir meine Eltern gesagt haben. Sei respektvoll und tue niemandem weh. Und dann denke ich mir: War ich respektvoll? Ja. Habe ich jemandem wehgetan? Nein. Also ist es nicht mein Problem! Und das ist so wie ich das sehe und für diese Einstellung einen Preis zu bekommen, ist unfassbar großartig.


"Für meine Einstellung einen Preis zu bekommen, ist großartig"

WABF: Hast Du ein "Erste-Hilfe-Rezept" für Menschen, insbesondere auch Teenager, die auf Grund ihrer sexuellen Orientierung oder anderen Merkmalen wie z.B. auch Übergewicht leiden und oft auch mit Depressionen zu kämpfen haben?

Conchita: Ich kann auf diese Frage nur antworten wie es mir ging, und es war ein langer Weg. Ich denke wenn man sagt für die, die anders sind kann ich sagen Teenager zu sein, ist für niemanden lustig. Wie wir gerade auch besprochen haben, da reicht auch schon ein rotes Haar, dass man irgendwie nicht dazu passt. Und deswegen gibt es dafür glaube ich kein Rezept. Bei mir war es einfach so, dass ich verunsichert war im ersten Schritt in meiner Pubertät, und bis ich meine sexuelle Orientierung verstanden habe, weil ich dachte, dass irgendetwas mit mir nicht stimmt. Weil die Gesellschaft es nun mal so vor predigt.  Und ich habe lange gebraucht zu merken, dass mit mir aber nichts falsch ist. Als ich diesen Punkt erreicht habe und wusste, wer ich bin und was ich will, und ich glaube dies ist auch ein Stück weit immer noch ein andauernder Prozess für uns alle, das Grundgerüst meines Daseins zu verstehen hat mir einfach die Kraft gegeben, dass mir niemand mehr wehtun kann. Und es ist vielleicht ein Stück weit etwas unhöflich, weil ich viele Menschen einfach ignoriere.


"Als ich wusste, wer ich bin und was ich will, hat mir das Kraft gegeben"

WABF: Vielen Dank Conchita. Ich wünsche Dir noch viel Spaß hier in Köln.


Conchita ist insgesamt 3 Tage in Köln, heute Abend bei der Aids Gala, morgen um 18:40h und 22h auf der Hauptbühne am Heumarkt, und am Sonntag zur Eröffnung der CSD-Parade auf der Deutzer Brücke. Conchita ist es wichtig, beim Christopher Street Day dabei zu sein. Auf Kritik am CSD angesprochen, antwortet sie: "Das Konzept des Prides ist nach wie vor wahnsinnig wichtig. Ich glaube, wir in Mitteleuropa haben das Privileg, dass wir ein bisschen mehr feiern als demonstrieren dürfen. Und es gibt mit den Ereignissen in Istanbul ein sehr aktuelles Beispiel: Gegebenheiten, wo man merkt, dass dieses Event unfassbar wichtig ist. Es ist wichtig, die Szene sichtbar zu machen, denn ich denke, dass gerade Respekt und vielleicht sogar Friede, so pathetisch es klingt, verlinkt ist mit Wissen." Sie ergänzt: "Viele Menschen wissen einfach nicht genug, und deshalb haben sie Angst und sind ignorant. Deshalb ist es unfassbar wichtig, immer wieder aufs Neue dieses Thema in den Mainstream zu bringen. Wir hier haben eine schöne Zeit, was toll ist, denn es hat auch gedauert, bis wir das konnten."